Yoga zwischen Sport, Lifestyle und Therapie

Yoga zwischen Sport, Lifestyle und Therapie

Viele falsche Vorstellungen und Missverständnisse prägen die moderne Sichtweise von Yoga. Der Yoga mit den populären Körperstellungen wird in Magazinen und Publikationen zunehmend als Lifestyle vermarktet, der unausweichlich zum modernen Leben gehört. Ein Hype, der die grundsätzlichen Werte des Yogas ausser acht lässt und vor allem Wert auf die äussere Erscheinung legt.

Missverständnisse zu den populären Köperbewegungen und Körperstellungen

Heutzutage scheint jeder verdächtig unmodern, unsportlich und mit wenig persönlichem Gesundheitsbewusstsein unterwegs zu sein, der seinen Tag nicht mit einem Sonnengruss, den drei Positionen des Kriegers, dem herabschauenden Hund oder dem Gleichgewicht schenkenden Baum startet.

Dieses Bild vermitteln Zeitschriften, Magazine, Webseiten, Streaming Portale und Online Tools, die Yoga als Wundermittel für einen perfekten Body der modernen Zeit vermitteln. So hat man schon fast ein schlechtes Gewissen, wenn man tag täglich keine schillernde Yogamatte ausrollt und die dazugehörigen Yogaklamotten präsentieren kann.

Die Popularität von Yoga nimmt zu

Yoga wird in der breiten Bevölkerung zunehmend beliebter und gehört zusehend mit den von den Medien geprägten äusseren Qualitäten zum schnelllebigen und stressigen Alltag. Der Wunsch sich im Yogastudio, vor dem Bildschirm oder in einem naturverbundenen Kurzretreat schnellstmöglich herunterzufahren und vom hektischen Alltagsstress zu befreien. lässt nur wenig Tiefe zu. Auch hier bleibt kaum Zeit, um sich tiefergehend mit der Materie und den inneren Werten der Yogaphilosophie zu befassen und die Nachhaltigkeit zu fördern.

Yoga wird immer populärer und waren es vor fünfzig Jahren vor allem esoterisch inspirierte Aussteiger, die sich in der westlichen Welt dem Yoga zuwandten, so ist Yoga heutzutage in der breiten Masse angekommen und wird zunehmend zum Lifestyle. Poweryoga, Hathayoga, Ashtangayoga, Iyengaryoga, Air-, Hormon oder therapeutisches Yoga sind nur einige Yogastile, die in den Studios landauf, landab angeboten werden. Um Yoga hat sich eine lukrative Industrie entwickelt, angefangen von Matten, Klötzen und Kissen in allen erdenklichen Farben und Formen über hautenge Bekleidung, Magazine, Apps und Online Angebote bis hin zu vielfältigen Yogaretreats rund um den Globus. Der moderne Lifestyle kommt ohne diese äusserlichen Werte des Yogas kaum mehr aus.

Doch leider wird Yoga häufig komplett falsch verstanden und das gesellschaftliche Bild von Yoga ist gefärbt von körperbetonten und äusseren Werten. So stellt sich an dieser Stelle die berechtigte Frage was unterscheidet Yoga von anderen körperlichen Betätigungs- und Bewegungsformen?

Ganzheitliches Yoga: Körper, Geist und Atem

Yoga ist entgegen der gesellschaftlichen Zuordnung kein Sport, sondern eine Lebensphilosophie, die dem Bereich der Geisteswissenschaften zugeordnet werden kann. Die bewusste Schulung des Geistes, um ganzheitlich und nachhaltig auf den Körper, den Atem, den Geist und das Bewusstsein zu wirken.

Beim Yoga geht es grundsätzlich nicht um die äussere Schönheit eines perfekten Körpers oder um extreme Beweglichkeit und Akrobatik. Yoga beinhaltet einen Weg der Bewusstheit und verfolgt das Ziel dem Leben ganzheitlicher und achtsamer zu begegnen. Einen bewussteren und selbstbestimmteren Fokus auf das eigene Leben zu richten und dem alltäglichen Leben einen tieferen Sinn und Nachhaltigkeit zu schenken, beinhaltet die Tiefe einer umfassenden Yogapraxis.

Diese Aspekte scheinen in der modernen Gesellschaft allgemein zu kurz zu kommen, denn Stress, Hektik und Zeitmangel verschliessen vielen Menschen den bewussten Blick auf das Wesentliche im Leben. Der innere Wunsch und die Sehnsucht nach einem Weg zurück zu sich selbst zu den eigenen Wurzeln ist daher umso verständlicher und wird in der breiten Bevölkerung auch zunehmend wieder gefragter.

Der Übende nimmt mit der Yogapraxis unmittelbar Einfluss auf Körper, Atem und Geist, wenn der Yoga ganzheitlich auf die drei Aspekte wirkt. Daher kann auch nur von Yoga gesprochen werden, wenn die Wirkung auf die drei Aspekte von Körper, Atem und Geist in jeder Übungseinheit zusammenwirken und gesamthaft angesprochen werden. Dabei spielt die innere bewusste Haltung und eine hohe Form von Achtsamkeit eine entscheidende Rolle.

Der offensichtlich prägende Teil in der Yogapraxis sind die Körperübungen und -bewegungen, die in den meisten Yogastilrichtungen einen essenziellen Bestandteil der Übungspraxis darstellen. Daher entstand im Westen der Moderenen Zeit wohl in der äusseren Wahrnehmung auch der Fokus auf die Betonung des Körpers. Doch der tiefere Sinn und die wahre Erkenntnis von Yoga liegt verborgen in der Quelle allen Seins und verlangt den nach innen gerichteten Übungsweg.

Yogaanfänger beginnen zumeist mit den Körperübungen, den Asanas wie sie im Hathayoga benannt werden. Über die Körperübungen und -bewegungen wird kontinuierlich geübt den Atem bewusst mit einfliessen zu lassen und über den erfahrbaren Atem den Geist zu erreichen.

Wird der Yoga der Körperbewegungsformen angemessen und vorsichtig ausgeführt, kann es durchaus vielfältige Beschwerden lindern, die körperliche Gesundheit und die Selbstregulierung fördern und den Umgang mit Hektik und Stress positiv verändern. Gleichzeitig können körperliche Aktivitäten auch einen positiven Effekt auf die psychische und emotionale Verfassung haben.

Doch aufgepasst, extreme und bestimmte Yogastile und ein unsachgemässes Ausführen der Asanas können den Körper auch schädigen und Verletzungen hervorrufen.

Verletzungen im Yoga sind wie Sportverletzungen

Bei einer unfachgemässen Ausführung der Yogaübungen und einer extremen Yogapraxis mit übermässigen Dehnungen und lang gehaltenen Positionen können Verletzungen bis hin zu chronischen Beschwerden auftreten.

Häufige Komplikationen, vor allem auch mit den Gelenken, zeigen sich mit den Schultern, den Handgelenken, dem Sternoklavikulargelenk, der Lendenwirbelsäule, dem Meniskus und der Hüfte. Aber auch chronische Problematik im Iliosakralgelenk und Zerrungen können durch eine unfachgemässe und extreme Yogapraxis entstehen.

Viele Übende überschreiten aus einem gewissen Leistungsdruck und einer Gruppendynamik ihre persönliche Belastbarkeit, weil auch hochanspruchsvolle Übungsreihen von allen Kursteilnehmern ohne Anpassung an die individuelle Verfassung und die körperlichen Voraussetzungen durchgeführt werden. Dabei spielt der Einbezug der individuellen Gelenkigkeit und der Beweglichkeit eine wichtige Rolle.

Yoga kann ungesunde Folgen haben, wenn die Yogapraxis wie ein Sport ausgeführt wird. Dabei sollte man sich wie bei jeder Sportart bewusst sein, dass die Verletzungsgefahr gross ist und man mit Sportverletzungen rechnen muss.

Quantität statt Qualität

Yogaausbildungen im In- und Ausland gibt es derzeit wie Sand am Meer und neue Yogastudios und Yogaleher schiessen wie Pilze aus dem Boden.

Die Europäische Yoga Union (EYU) hat 15 europäische Yogaverbände, die alle mindestens eine vier jährige Ausbildung zum zertifizierten Yogalehrer anbieten, um ein gewisses Mass an Qualität zu gewährleisten.

Denn die Bezeichnung Yogalehrer ist nicht geschützt, sodass die Gefahr gross ist, dass viele Yogalehrer nicht ausreichend ausgebildet sind, um auch mögliche ungünstige Wirkungen abzusehen, differenziert zu beurteilen und angepasst auf die individuellen Bedürfnisse anleiten zu können.

Dabei verletzen sich die Lehrer oftmals auch selbst, weil die allgemein gültige Meinung vertreten wird, dass Yoga gut und gesund ist und deshalb auch nicht schaden kann.

Falsch angeleitete Übungsformen können zu körperlichen Beschwerden führen und zuweilen auch erst zu nehmende Verletzungen hervorrufen. Die für die Yogapraxis typischen tiefen Vorbeugen können beispielsweise bei Menschen mit einem Flachrücken zu einem Bandscheibenvorfall führen. Ein gut ausgebildeter und fachkundiger Lehrer sollte die Gefahren und Problematik erkennen und individuelle Alternativen anbieten.

Ein fachkundiger Yogalehrer fördert und stärkt die Selbstwahrnehmung der Kursteilnehmer, um das eigene Körpergefühl und die Selbsterfahrung zu stärken. Diese Qualität hilft dem Yogaübenden zu erkennen welche Übungen und Positionen gut tun und welche Yogaübungen Unwohlsein oder gar Schmerzen hervorrufen.

Es gilt nicht zu üben, was gut tun müsste, sondern wahrzunehmen, was tatsächlich gut tut.

Therapeutisches Yoga - der Weg der individuellen Selbstverantwortung

Das therapeutische Yoga verfolgt einen individuellen Übungsweg, der gesundheitliche Beschwerden des Übenden in den Mittelpunkt stellt. Um von Yogatherapie vollumfänglich profitieren zu können, sollte der Übende Selbstverantwortung übernehmen können.

In einem individuellen Einzeltermin werden die Erwartungen und Wünsche abgeklärt und Auskünfte über mögliche Beschwerden erfragt. Auf dieser Grundlage wird ein individuelles Übungsprogramm zusammengestellt, das der Übende zu Hause regelmässig ausführen soll. Zu Beginn in kürzeren Abständen, mit wachsender Erfahrung in grösseren Abständen wird die Übungsroutine kontrolliert und gegebenenfalls angepasst und erweitert.

Der Erfolg einer Yogatherapie ist von der Wahl der massgeschneiderten Yogaübungen und des individuellen Übungsprogramms abhängig und von der Regelmässigkeit des Übens. Wird die Übungseinheit kontinuierlich geübt, sollten sich in wenigen Wochen erste Wirkungen zeigen. Durch die prozessorientierte Ausrichtung der Yogatherapie wird klarer ersichtlich von welchen Bausteinen des Yogas und in welcher Kombination der Übende am besten profitiert.

Die individuelle Yogatherapiepraxis kann sich aus Yogaübungen, Atemtechniken, Achtsamkeitstraining und meditativen Elementen zusammensetzen. Dabei geht es nicht darum eine sportliche Leistung zu erbringen, sondern die Übungspraxis so aufzubauen, dass der Übende durch die regelmässige Praxis keine Schmerzen generiert.

Yogatherapie wirkt, aber wie?

Untersuchungen und wissenschaftliche Studien belegen, dass sowohl im schulmedizinischen als auch im komplementärtherapeutischen Bereich die Selbstwirksamkeit und das Vertrauen in die eigenen Selbstheilungskräfte eine wichtige Rolle beim Erfolg einer Therapieform spielen. Die Motivation selbst etwas zu tun und die Eigenverantwortung für die Selbstheilung zu übernehmen sind massgeblich zur Verminderung der Beschwerden beteiligt.

Der Erfolg und die Wirksamkeit von Yogatherapie erfährt der Yogatherapeut in der Kommunikation und den Rückmeldungen der Übenden. Der Erfolg einer Yogatherapie lebt von der Eigeninitiative und dem eigenen Engagement des Übenden.

Der Weg des Yoga ist einzigartig. Yoga ist einzig und alleine eine Erfahrung, und die muss man erleben, um sie zu kennen.

Patanjali

Mein Fazit

Therapeutisches Yoga ist eine Form der Übung, die auf die individuellen Bedürfnisse jedes Einzelnen zugeschnitten werden kann und sich bei einer Vielzahl von Gesundheitszuständen als wirksam erwiesen hat. Der Erfolg der Yogatherapie hängt vom Engagement und der Initiative des Praktizierenden ab, und es ist wichtig, dass der Yogatherapeut eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Kunden aufbaut.

In einem individuellen Einzelgespräch wird der Yogatherapeut mit dem Kunden, dessen Ziele und Erwartungen sowie eventuelle gesundheitliche Bedenken ermitteln. Der Yogatherapeut stellt dann ein individuelles Übungsprogramm zusammen, das der Klient zu Hause durchführen kann. Der Erfolg der Yogatherapie hängt von der Auswahl der massgeschneiderten Yogaübungen und des individuellen Übungsprogramms sowie von der Regelmässigkeit des Übens ab. Wenn die Übungen kontinuierlich praktiziert werden, sollten sich die ersten Wirkungen bereits nach wenigen Wochen zeigen.

Therapeutischer Yoga 1
Naomi King Yogalehrerin Meditationslehrerin und Achtsamkeitscoach
Naomi King

Der erste Schritt mit Yoga, Meditation und Achtsamkeit beginnt mit der inneren, fokussierten Ausrichtung: «Niemand kann die Brücke bauen, auf der ich über den Fluss des Lebens schreite, niemand ausser ich selbst.»