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Stille ins Leben bringen

Achtsamkeit und Meditation bieten einen Weg, um innere Stille zu finden. Selbst inmitten von Hektik, Lärm und Trubel ist es möglich die Sehnsucht nach Stille zu verspüren und dieses stille Verweilen zu erfahren.

Sehnsucht nach Stille

Menschen verspüren immer wieder eine innewohnende Sehnsucht nach Stille und Ruhe. Und dennoch fällt es meist schwer, der ersehnten Stille die Tür zu öffnen und sie ins Leben zu lassen. Stille ist von einer einzigartigen Präsenz und tiefgründigen Qualität geprägt. Der Blick in die Natur zeigt die verschiedensten Formen der Stille in einer facettenreichen und eindrücklichen Fülle und einem nie endenden Reichtum.

Wird die städtische Zivilisation verlassen und der Schritt in die Natur oder gar die Wildnis gewagt, wird die lärmende Geräuschschwelle des Alltagsleben überschritten. Idealerweise verstummen Strassenlärm, dröhnende Flugzeuge am Himmel, ratternde Züge auf den Geleisen, lautes Geschrei von Kindern und Hundegebell. Die vielfältigen Stimmen verstummen und auch Natels und Fernseher werden lautlos und stumm. Stattdessen findet die Begegnung mit einer durchdringenden Ruhe der Natur statt. Vielleicht ächzen Baumkronen im Wind, das Unterholz raschelt, ein naher Bach rauscht oder Vögel zwitschern im Geäst. Dennoch kann die wundersame Stille und Ruhe der Natur als etwas beeindruckendes empfunden werden.

Zu jeder Jahreszeit strahlt die Natur ihre einzigartige Facette der Stille aus. Im Winter strahlen die verschneiten Landschaften eine beeindruckende Stille aus. Verzaubernd liegt der weisse Schnee wie ein Schleier über den Hügeln und Bergspitzen und glitzert im Sonnenlicht funkelnd wie tausend kleine Sterne. Auch im Sommer liegen die in Schnee gehüllten Bergspitzen majästetisch und in einer atemberaubenden Stille weit in der Ferne. Sie strahlen eine beruhigende Stille und tiefe Präsenz in ihren vielfältigen Formen aus. Dazwischen liegen Wälder, Seen und farbige Wiesen und strahlen eine entspannte Gelassenheit aus.

Auch in der Tierwelt finden sich Augenblicke der Stille, der ruhigen Präsenz und tiefen Aufmerksamkeit. Kurz vor dem Sprung verweilen Raubkatzen vollkommen präsent, in sich selbst ruhend in einer faszinierenden Stille. Geduldig und konzentriert warten sie auf den richtigen Augenblick, um ihrer Natur folgend erfolgreich zu sein. Sie verlassen mit dem Sprung die tiefe Stille, um im nächsten Augenblick präsent anzukommen.

In jedem Sein der Natur findet der Mensch die Erfüllung seiner Sehnsucht nach Stille. Die Inspiration und Faszination der Natürlichkeit der Natur zeigt vor, wie die Sehnsucht nach einer tiefen Stille gestillt werden kann.

Innere Stille ist ein Zustand von geistiger Ruhe, die unabhängig von äusseren Umständen erreicht werden kann.

Die Stille der Natur

Die Natur lehrt die Tiefe einer erfahrbaren Stille und offenbart die Bedeutsamkeit der wohltuenden Ruhe, aus der eine friedvolle Entspanntheit entsteht. Sie zeigt einen stufenförmigen Weg, der Schritt für Schritt aus dem Tal des betörenden Lärms des Alltaglebens zu den Gipfeln einer segensreichen Stille führt. Die tiefsinnige Klarheit des gegenwärtigen Ausgenblicks enthüllt die vielfältigen Aspekte und die Schönheit von Ruhe. In einer meditativen Praxis zeigen sich die Früchte, die zu innerer Ruhe, Entspanntheit und tiefer Stille führen.

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Stille des Glücks

Es gibt verschiedene Formen von Stille. Die fast beängstigende Stille nach einem Sturm, wenn es scheint als würde die Natur innehalten, um neuen Atem zu holen. Die Stille, die nach einem heftigen Streit in der Luft hängt, schwer und fast erdrückend. Und die schlummernde Stille, die tief im Inneren verborgen liegt und entdeckt werden möchte.

Genau diese innere Stille ist es, die im Rückzug in die Natur und in einer meditativen Praxis gefunden werden möchte. Achtsamkeit und fokussierte Konzentration sind die Grundpfeiler die innere Stille zu kultivieren und zu erfahren.

Die tiefe Stille, die sich während einer meditativen Yogapraxis aus dem Innersten erhebt und so Schritt für Schritt das gesamte Sein lockert und tiefenentspannt. Eine Stille, in der die Freude und das innere Glück frohlocken und sich über das wahre Selbst offenbaren. Diese innere Glückseligkeit kennt keine Grenzen, sie ist unendlich und grenzenlos in Raum und Zeit.

Stille ins Leben bringen

Besonders der moderne und vielbeschäftigte Mensch benötigt eine Form der inneren Ruhe und Stille, um die eigenen Gefühle, Emotionen und Gedanken wahrzunehmen. Um auf dem Weg des Yogas den bewussten Umgang und die Akzeptanz mit den facettenreichen Gefühlen, Emotionen und Gedanken zu trainieren. Dieses Training unterstützt die Lockerung und das Loslassen von tiefverborgenen Aspekten, über die oftmals ein dunkler Schleier liegt. Diesen Schleier schrittweise zu heben, ebnet den Weg in die tiefgründige Erfahrung der angestrebten Stille.

In einer Welt voller Lärm und digitaler Ablenkungen ist es wichtig sich Räume der inneren Stille zu schaffen. Räume und Zeitfenster, in denen sich die innere Ruhe und Entspanntheit entfalten können. Die unzähligen Informationen, die tagtäglich mit den Sinnesorganen perzipiert werden, transportieren Botschaften und Nachrichten, wecken Bedürfnisse und schaffen äussere Sehnsüchte. Dabei werden die Informationen zu Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen, aber auch zu Ängsten, Sorgen und gedanklichen Zuordnungen und Wertungen. Diese vielschichtigen Gedanken kreisen unentwegt und lautstark durch den Schädel, treiben an, wühlen emotional auf und machen innerlich unruhig. Die Last der Gedanken können nicht nur mental überfordern, sondern auch verwirrend wirken. Als Folge kann es schwerfallen klare Entscheidungen zu treffen, denn zwischen den vielen Optionen und Möglichkeiten hin- und hergerissen, entschwindet die Klarheit. Und die innere Gedankenflut kann eine Taubheit für die eigene innere Stimme auslösen. Die innere Stimme, die eigentlich ihrer Natur entsprechen, Klarheit, Sicherheit und Vertrauen schenken sollte.

Doch selbst inmitten von Hektik, Lärm und Trubel ist es möglich eine tiefe Sehnsucht nach Stille zu verspüren und wahrzunehmen. Menschen durchleben immer wieder Phasen, in denen ein innewohnender Wunsch nach Ruhe aus der Tiefe des Herzens emporsteigt. Doch der herbeierwünschten Stille die Türe zu öffnen und sie ins Leben zu lassen, fällt oftmals auch schwer. Einen gewinnbringenden Weg bieten Achtsamkeit, Meditation und der meditative Aspekt des Yogas, um die innere Stille zu finden und den Zustand des stillen Verweilens zu erfahren.

Bedeutung von Stille

Eine wichtige Bedeutung von Stille liegt in ihrem Wortstamm verborgen, der in der althochdeutschen Sprache von «stilli» abgeleitet ist. Stille bezeichnet sprachlich die empfundene Lautlosigkeit, die Abwesenheit von jeglichen Geräuschen, aber auch die Bewegungslosigkeit. Und die Totenstille ist die umgangssprachliche Steigerung von all dem.

Wenn eine Mutter ihr Kind stillt, entsteht ein liebevolles Ruhigstellen des hungrig schreienden Kindes. Das Kind liegt glückselig im Arm der Mutter und findet in eine friedvolle Ruhe. Auch im Erwachsenendasein stellt die tiefe Stille die unentwegten äusseren Stimmen des Informierens, des Erinnerns und des Aufforderns ruhig. Plötzlich öffnet sich der Raum zur inneren Stimme und zu den feinen Kommunikationskanälen zu sich Selbst. Geistige Stille bedeutet innezuhalten, den Blick und die Aufmerksamkeit fokussiert nach innen zu versenken und friedvoll in diesem Zustand von Samatha zu verweilen.

Stille Wasser sind nicht nur tief, sie erschaffen auch Tiefe und Klarheit.

Achtsamkeit und Konzentration

In vielen spirituellen Traditionen und geistigen Lehren spielt die Suche nach Stille und die Praxis der Stille eine zentrale Rolle. Schon die Wüstenväter im frühen Christentum zogen sich in die Einöde zurück, um dort in Askese die wertvolle innere Stille zu finden. Auch im Judentum, im Islam, im Buddhismus und in anderen Traditionen versuchten Menschen durch Rückzug und Pilgern, aber auch durch Rezitation, Gebet, Gesang, Tanz und stille Praxismethoden in die geistige Stille zu kommen. Interessanterweise berichten Praktizierende der verschiedensten Traditionen von ähnlichen Erfahrungen der Stille und deren Bedeutung in der täglichen konzentrativen Übungspraxis.

Innere Stille beruht auf einem Zustand der geistigen Ruhe, die unabhängig von äusseren Einflüssen ist. Dieses ruhige, friedvolle Verweilen, das in der buddhistischen Meditationstradition auch als «Samatha» bezeichnet wird. In der Achtsamkeitspraxis und Meditation ist die Schulung des Geistes zur Erfahrung der Stille bedeutend. Die innere Stille entwickelt und wächst mit der Tiefe der meditativen Übungspraxis. Denn wenn die Gedanken durch die Einsgerichtetheit zur Ruhe kommen, entsteht eine bemerkenswerte Stille im Geist. Ist der Geist gut trainiert, ergibt sich jeden Augenblick die Möglichkeit zu bestimmen, worauf der Geist ausgerichtet werden soll. Wird er auf die Stille im Innern oder auf den Lärm und die Geräusche im Aussen gerichtet. Wer lernt tief zu blicken und zu verstehen welche Qualitäten die Stille im gegenwärtigen Augenblick entfaltet, entwickelt den Zustand des ruhigen Verweilens bis zur Vollendung.

Mit Yoga und Meditation zur geistigen Stille

Ein kleines Experiment versinnbildlicht den Effekt der Stille auf einen unruhigen und verwirrten Geist:

«Nimm ein Glas Wasser, in das du etwas Sand und Erde füllst. Rühre mit einem Löffel das Wasser auf, dabei wirbeln Sand und Erde hoch und das Wasser wird trüb und undurchsichtig. Lass das Glas nun für einige Zeit stehen und du wirst beobachten können wie sich Sand und Erde absenken. Das darüberliegende Wasser wird klar und die Wasseroberfläche beruhigt sich vollkommen».

Die innere Stille ist der Schlüssel zum inneren Selbst.
In uns Selbst ruhend, betrachten wir die Welt mit Gelassenheit.

Genau diesen Effekt hat eine meditative Yogapraxis und die Meditation von Samatha auf den Geist. Der Körper folgt aus der eigenen Mitte dem Rhythmus von Bewegung und Bewegungslosigkeit, wenn der Geist konzentriert ausgerichtet ist. Aus der Stille des eigenen Selbst werden die Natürlichkeit der Spannung und Entspannung, der Gebundenheit und Loslösung in ein friedvolles Verweilen geführt.

Die konzentrative Stille ist der Grundpfeiler die tiefgründigen Werte und Qualitäten von Yoga und Meditation durch Achtsamkeit zu erfahren und zu leben. Stille hat einen kostbaren Aspekt, der im Leben niemals fehlen sollte. Nicht Geschichten und Märchen sollten von dieser wertvollen Stille erzählen, sondern das Leben selbst. Die Praxis- und Lebenserfahrungen sollen zu Zeichen der offenbarten Stille und deren Qualitäten in uns Selbst sein.

Stille 2

Die Einsgerichtetheit führt in eine tiefe Stille und erfüllende Klarheit.
Je mehr Bereiche durchdrungen werden, umso stiller wird es.
Je stiller es wird, desto friedlicher wird der Geist.
Je friedlicher es wird, desto erfüllender und klarer wird das Sein.

Naomi King
Naomi King Yogalehrerin Meditationslehrerin und Achtsamkeitscoach
Naomi King

Der erste Schritt mit Yoga, Meditation und Achtsamkeit beginnt mit der inneren, fokussierten Ausrichtung: «Niemand kann die Brücke bauen, auf der ich über den Fluss des Lebens schreite, niemand ausser ich selbst.»