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Bewegung und Vergänglichkeit

Die Essenz der Bewegung und Vergänglichkeit liegt im inneren Yoga verborgen. Die Praxis des inneren Yogas ist der Weg und die Brücke zum höheren Selbst.

Die Essenz der Bewegung und Vergänglichkeit

Der Kreislauf des Lebens ist geprägt von Vergänglichkeit in der Bewegung, aber auch im Stillstand. Die innere Lebensuhr eines jeden Menschen hat ihren ureigenen Rhythmus. Das jeweilige Schicksalsrad oder Karma ist gemäss der Lehre des Dharma von früheren Leben geformt und geprägt. All die Taten, Handlungen, Verhaltensmuster und Denkweisen gestalten den zukünftigen Weg in ein neues Leben. Die einzelnen Leben können dabei von unterschiedlicher Art und Lebenszeit sein. Vielfältige Facetten, die einladen die vor uns liegende Brücke bewusst zu überschreiten und das Leben von Augenblick zu Augenblick kreativ zu formen. Die bewusst gestaltenden Formen können Yoga, Meditation und die philosophischen Schriften sein, denn sie weisen den Weg und die Brücke zum höheren Selbst. Auch die Erfahrungen mit der natürlichen Vergänglichkeit und Unbeständigkeit der Natur lassen das Verständnis für Bewegung, Bewegungslosigkeit und Wandel erlebbar und erfassbar machen.

Die bewegende Kraft

Die bewegende Kraft zum höheren Selbst liegt in jedem Menschen verborgen. Selbst während der Vergänglichkeit des Lebenszyklus kann diese Kraft bewusst genutzt werden, um die Brücke zum höheren Selbst zu überschreiten. Kein Stadium des Lebens, ob Geburt, Heranwachsen oder Sterben hindert den Menschen daran sich aufzumachen und den jeweiligen Moment als Brücke zum höheren Selbst zu beschreiten. Kraftvoll und einzigartig ist diese Energieform, die sich mit ihrem Erwachen bewegt, emporhebt und dem vereinenden «Himmel» entgegen strömt. Stets im Angesicht der Vergänglichkeit.

Im Muladhara liegt Kundalini in der Gestalt einer zusammengerollten Schlange.
Das eingeborene Selbst wohnt dort wie die Flamme einer Lampe.
Kontemplation dieses strahlenden Lichts
als leuchtendes Brahman ist transzendentale Meditation.

Gheranda Samhita

Die schlummernde Kraft

Die schlafende Energie der Kundalini liegt schlummernd und verborgen am untersten Knotenpunkt des zentralen Kanals. Scheinbar starr und völlig losgelöst vom ewigen Kreislauf des Lebens, wartet sie geduldig auf das Entfachen der innewohnenden Flamme. Diese schlafende kosmische Energie ist zugleich auch die höchste Kraftform des menschlichen Organismus. Die Schlange als Symbol der höchsten Lebensenergie stellt in ihrer zusammengerollten Form einen geschlossenen Kreislauf dar. In ihm wird die wertvolle und geheinmisvolle Lebensenergie bewahrt. Die Kundalini Shakti oder die eingerollte weibliche Energieform stellt ein ungeheures Energiepotenzial dar, sie ist die stärkste Wärmeströmung im Körper. Das Erwecken der Kundalini bildet die Basis aller yogischen Disziplinen. Jede echte spirituelle Erfahrung ist ein Erblühen und in Bewegung setzen der physionuklearen Energie. Selbst «himmlische» Musik, «glorreiche» Mantragesänge oder «spirituelle» Tänze können die schlafende Kraft der Kundalini wachrütteln und auf höhere Ebenen leiten, wenn sie bereit für den Aufstieg ist. Das Satcacra Nirupana beschreibt Kundalini mit zärtlichen Worten: «Sie ist so schön wie ein Blitz und so fein wie eine Lotosfaser. Sie scheint glitzernd in den Geist der Weisen. Sie ist über alle Masse zart und die Erweckerin des reinen Wissens, Verkörperung der Glückseligkeit und ihre wahre Natur ist reines Bewusstsein».

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Streben nach Ausgeglichenheit

Die bewegende Kraft im menschlichen Dasein ist die innere Sehnsucht nach einem erfüllten höheren Sein und dem Streben nach einer völligen Ausgeglichenheit. Zwischen den Aspekten der Leere und Fülle liegt diese angestrebte Ausgeglichenheit, hier findet die Begegnung mit der universellen Kraft ihren Anfang. Diese Verbundenheit findet in der sanften Bewegung, dem bewussten Loslassen der Starrheit statt. Das Universum ist in seinem gesamten Sein in einem ewigen Wandel. Diese Unbeständigkeit in der beständigen Ordnung erfordert das bewusste Ausbalancieren der Kräfte und Energien. Die Vergänglichkeit führt immer wieder zur inneren Besinnung, in die Reflexion und ruft in Erinnerung, dass nichts endgültig und von Dauer ist. «Wenn der Krug bewegt wird, bewegt sich das Wasser im Krug geräuschvoll hin und her. Dabei verändert sich die Form ständig. Sobald der Krug in eine stabile Position gebracht wird, werden die Bewegungen des Wassers ruhiger und die Oberfläche erscheint glatt und ausgeglichen». Genauso wird der Geist in einer stabilen, unbeweglichen Körperhaltung und Ausrichtung ruhig und gelassen. Die stabile Ausgeglichenheit stellt sich über die Einsgerichtetheit auf einen Konzentrationspunkt ein und lässt den Geist aus seiner Ruhelosigkeit in eine ausgeglichene Balance kommen. Dieses unveränderliche Gleichgewicht ist eine Grundlage zur Kontrolle des Geistes, denn die Gedankenaktivität muss dabei vollkommen ausgeschaltet sein.

Der innere Yoga – die Brücke zum Selbst

Der Zweck des inneren Yoga besteht darin, die karmischen Blockaden und Hindernisse im gegenwärtigen Seinszustand zu lösen. Durch die menschlichen Erfahrungen über die unzähligen Leben sind die inneren Kräfte buchstäblich in festen Knoten gebunden. Die Knoten sind verdichtet und problematisch, weil sie den Menschen in einem Zustand der Unwissenheit binden. Die Erfahrungen, die in den Geschichten des Samsara erlebt wurden, sind tief begraben und verhindern die Erweckung der Energiekraft und die verborgene Weisheit der höchsten Kraft zu erkennen. Durch die Techniken des inneren Yogas können die Knoten durch ein diszipliniertes und ausdauerndes Praktizieren allmählich gelöst werden. Dabei wird das tief verborgene Karma bearbeitet und mit der Zeit aufgelöst. Der Suchende nach dem höchsten Selbst wird all seine Kraft und sein Können einsetzen müssen, um die schlummernde Energie zu erwecken. Eine lange und vorbereitende Schulung ist notwendig, um den Abzug der Sinne aus der Aussenwelt oder «Pratyahara» zu erlangen. Die gesamte Aufmerksamkeit wird auf einen einzigen Punkt gelenkt «Dharana», bis alle Aktivitäten der Gedanken kontrolliert sind. Pranayama vertieft die Kraft der meditativen Praxis, weshalb gerade in den tantrischen Techniken grösster Wert daraufgelegt wird. Die Wirkung des Pranayama wird durch die Praxis von Asanas, Mudras, Mantras und Bandhas verstärkt.

Im «Pranayama» wird der Wille nach innen auf den Lebensatem oder «Prana» gerichtet. Prana wird dabei eingeatmet und angehalten und durch die Nadis «Ida» und «Pingala» nach unten zur Basis der Wirbelsäule gelenkt, dort wo die Kundalini eingerollt schläft. Der Eintritt von Prana wirkt sich wie eine plötzliche Verbrennung auf einem engen Raum aus. Die Hitze und das Geräusch dieses Vorgangs erwecken die Schlangenkraft explosionsartig aus ihrem tranceartigen Schlaf «Yoga Nidra».

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Bewegung und Vergänglichkeit

Wollen wir den Weg und die Brücke zum höheren Selbst beschreiten, müssen wir den Blick bewusst Richtung Kundalini lenken. In diesem für das menschliche Auge unfassbaren Energiepotenzial liegt die Weisheit der Bewegung und Vergänglichkeit allen Daseins verborgen.

Kundalini ist in ihrer latenten Form wie eine Schlange zusammengerollt.
Wer diese Shakti dazu bringt sich zu regen,
wird Befreiung erlangen.

Hathayoga Pradipika
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Naomi King Yogalehrerin Meditationslehrerin und Achtsamkeitscoach
Naomi King

Der erste Schritt mit Yoga, Meditation und Achtsamkeit beginnt mit der inneren, fokussierten Ausrichtung: «Niemand kann die Brücke bauen, auf der ich über den Fluss des Lebens schreite, niemand ausser ich selbst.»